Die textlinguistisch orientierte Erforschung der monologischen narrativen Entwicklung bei Kindern hat zu Entwicklungsmodellen geführt, die, vereinfacht gesagt, von der isolierten, unverbundenen Wiedergabe einzelner Ereignisse über deren lineare Verknüpfung bis hin zur komplexen Strukturierung reicht, welche zum Beispiel zwischen Hintergrund- und Vordergrundhandlungen und verschiedenen Zeitstufen unterscheidet. Die Erzählentwicklung kann aus dieser Perspektive als Annäherung an eine induktiv ermittelte idealtypische narrative Struktur betrachtet werden. Darüber hinausgehend, wird im folgenden Beitrag dafür argumentiert, dass die Ontogenese narrativer Fähigkeiten nicht nur anhand dekontextualisierter, monologischer (Nach-)Erzählungen untersucht werden soll, sondern auch in polylogischen Rollenspielen, wie sie typischerweise im Vorschulalter auftreten. Dort wird sichtbar, wie die Kinder zwischen einem koordinierenden, narrativen und inszenierenden Modus differenzieren und die entsprechenden sprachlichen Mittel für diese Differenzierung bereits zur Verfügung haben – lange bevor sie sie auch in monologischen, dekontextualisierten Erzählungen einsetzen.
Zitieren Sie diesen Beitrag bitte wie folgt:
Schmidlin, Regula: Zum Erzählerwerb aus linguistischer Sicht:. Narrative Strukturen in Monolog und Interaktion. <http://germanistik.ch/publikation.php? id=Zum_Erzaehlerwerb_aus_linguistischer_Sicht> (Publiziert Februar 2016)
oder
Schmidlin, Regula: Zum Erzählerwerb aus linguistischer Sicht:. Narrative Strukturen in Monolog und Interaktion. In: Michael Stolz und Robert Schöller (Hg.): Germanistik in der Schweiz (GiS) Zeitschrift der Schweizerischen Akademischen Gesellschaft für Germanistik. Heft 9/2012. Bern: germanistik.ch 2012, S.1-14